One click - No show.
von Thorsten Rensing (Kommentare: 0)
Machen wir es Bewerbern zu leicht?
"One Click", mach es dem Bewerber so leicht wie möglich.
Die Angst der Unternehmen.
"Gott sei Dank, der Bewerber ist auf meiner Seite." Alleine das ist schon ein Grund, eine Flasche Sekt zu öffnen. Im Dickicht der Suchmaschinen blickt ja keiner mehr durch. Jede crawlt das Netz und jede Suchmaschine klaut bei der anderen. ein einfach ausgeschriebener Job ist hundertfach im Netz. Wir fragen unsere Bewerber immer, wie sie zu uns kommen: und so lernen wir immer mehr Jobsuchmaschinen kennen, die wir nicht kennen, aber auf denen wir wohl Jobs ausgeschrieben haben. Seltsam. Füttern wir die nun auch noch, oder lassen wir die Arbeit weiter die Crawler machen?
Wenn man dann das Glück hat, dass sich jemand bewerben will, dann bitte keine Umstände, er könnte ja abspringen.
Klar, keiner will fünfseitige Formulare, aber 1-2 Clicks und fertig ist die Laube? Erreicht hat man, dass man eine Emailadresse oder eine Telefonnummer hat. Mehr nicht. Ab hier beginnt das Spießrutenlaufen.
Das Problem.
Ein Click ist schnell gesetzt. Manchmal unbewusst, manchmal einfach aus Langeweile oder aus einem Impuls heraus. Das hat mit bewerben im klassischen Sinne nichts mehr zu tun. Ergo? - Der "Bewerber" kann Interesse haben, muss er aber nicht. Vielleicht war es ein Impuls, eine Laune oder das unbestimmte Bedürfnis, dass man einfach mehr Geld braucht. Es ist ein bisschen wie Parship. "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single bei Parship.".
Blöde nur, das zwei dazu gehören.
Man findet einen Job, der einem gefällt, und clickt, wischt, was auch immer. Und der Nächste Job geht auf. Man clickt oder wischt noch mal und dann beginnt das Spiel von vorne. Der folgende Anruf geht häufig ins Leere oder beginnt mit den Worten "Sie haben sich bei uns beworben." Der "Bewerber" schüttelt innerlich den Kopf und sagt "Hab ich das?". Ohne ein bisschen Mühe keine Aufwand, keine Verlässlichkeit.
Die Generation Kommunikation.
"Bei Anrufen mit unterdrückter Nummer gehe ich nicht ran." vs. "Wenn der Chef anruft, gehe ich nicht ran.".
Wir reden mal gar nicht darüber, ob es gut oder schlecht ist, nicht mehr telefonieren zu können oder zu wollen. Die Frage ist doch: warum ist das so? Zum einen liegt es sicher daran, dass man auf diese Art und Weise Konflikten (und sei es nur potentiellen - es könnte ja auch ein Lottogewinn am anderen Ende der Leitung warten) aus dem Weg zu gehen.
Das Kommunikationsmedium wird zum Kommunikationsverhinderer.
Und wer nicht übt, bekommt natürlich Angst vor dem Neuen. Das Problem ist dabei kein altersbezogenes. Selbst Geschäftsführer ziehen sich zurück auf ein "Ich schreibe Kunden lieber erst per Xing an. Bei Anwort, erst dann, dann rufe ich an.". Wischen oder Klicken statt sprechen, die erste Hürde der Kommunikation, den Mut des ersten Wortes umgehen und in das Netz verlagern. Die Technik macht kommunizieren schwerer und das Ausweichen leichter.
Nur nicht festlegen.
"Lass uns Freitag treffen." - "Klar, gern! Freitag habe ich viel zu tun, wir schreiben dann, wann und wo, oder?"
Verbindlichkeit wird ein Problem. Ohne technische Hilfsmittel war sie notwendig, denn sonst hätte man sich ja nicht gefunden. Je weniger man davon braucht, um so besser. Die Ungenauigkeit, die Unschärfe liegt in unserer Natur und in unserer Kommunikation. Deswegen benutzen Juristen so gerne das Wort "grundsätzlich". Sie müssen Regeln klar formulieren - uns sagen gleichzeitig: es gibt aber Ausnahmen. Deswegen reden Politiker im Konjunktiv oder in Absichtserklärungen. Die Unschärfe gibt uns den Weg aus dem Dilemma, das entsteht, wenn wir unsere Meinung ändern und diese dann zu Konflikten führen wird.
Geschwindigkeit als Hemmnis.
Die Bewerbung ist da! Endlich. Also schnell antworten, per Email Whats App oder am besten gleich bei allem zusammen. Nur schnell signalisieren, dass man will. Unternehmen werben mit "Arbeitsverträgen in 24 Stunden". Klar, dauert es zu lange, ist der Bewerber weg. Da die Nutzer sich nun wahrscheinlich bei mehr als einem Unternehmen "beworben" haben, bekommen sie also direkt Spam von allen. Das entwertet den Job und das Unternehmen weiter und führt zu Unzuverlässigkeit. Alle bieten sofort "Vorstellungsgespräche" am besten über "Teams" an - und statt nun abzusagen (das führt ja zu Konflikten) nimmt man einen Termin an, den man (vielleicht) nicht wahrnehmen kann/will.
Zusammen ergibt das Ganze die "No shows".
Unternehmen reduzieren den Bewerbungsprozess so weit, dass er nicht mehr als solcher erkannt wird - und deswegen nicht mehr Ernst genommen wird. Sie wählen Kanäle, die für Bewerbungen eigentlich ungeeignet sind und hoffen auf Bewerber. Whats App Chatbots starten die Bewerbung, spätestens beim Hochladen der benötigten Dokumente ist dann aber Schluss mit lustig. Zurück bleibt eine tote Telefonnummer, die man nicht einmal mehr anrufen muss, weil keiner mehr rangeht (siehe oben).
Was könnte die Lösung sein?
Wir brauchen auf jeden Fall Verbindlichkeit im Prozess. Also müssen beide Seiten bereit sein, etwas zu geben, um ihren Willen zu dokumentieren.
Vielleicht gehört ein Lebenslauf dazu? Einer, der ihn schreiben muss, aber auch einer, der ihn lesen muss. Früher war ein Zeichen von Wertschätzung, eine Reaktion auf einen Brief - und sei es nur eine Absage. Heute ist im Zeichen von automatisierter Kommunikation und Chat-bots eine persönliche Einladung schon eher Spam als Wertschätzung.
Ein Kollege hat relativ erfolgreich Anzeigen in der Zeitung geschaltet. Das Erfolgsgeheimnis wird dabei wohl der verbindliche Weg gewesen sein, die Stelle zu bewerben - und der Wille, sich drauf zu bewerben.
Social Media generieren vielleicht wenig nachhaltige Bewerber, als wir denken. Sei sind vielleicht eher für Markenbildung geeignet, denn für Akquise von Mitarbeitern. Stellenanzeigen bei Facebook und Co. funktionieren nur, wenn dies glaubhaft in den Content des Unternehmens eingebunden sind. Sie sind damit eher teuer und aufwändig, und nicht jung und hip. Social Media ist auf Konsum ausgelegt.
Was meint Ihr? Wir sind auf eure Meinungen gespannt!
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