„Der Greta von Thunberg Effekt“ oder rückläufige Zahlen in der Zeitarbeit.

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„Das geht schon vorüber“ oder „Ich verkaufe so schnell wie ich kann, aber im Moment läuft es noch zu gut.“ das sind so die Äußerungen, die Geschäftsführer der Zeitarbeit heute häufig tätigen. Und warum auch nicht? Gibt man bei Google die Begriffe „Zeitarbeit“ und „rückläufig“ ein, dann finden sich unter den ersten 10 Treffern Daten aus 2019 - und aus 2009. Die Branche ist augenscheinlich Kummer gewöhnt und hat gelernt, sich regelmäßig mit Weltuntergangsszenarien auseinanderzusetzen. Quasi der Greta von Thunberg-Effekt. Von dem „Untergang“ bis „Leute, das ist alles Panikmache. Es ist doch gar nichts passiert.“ ist alles vertreten. Nur, was ist denn nun wirklich Phase?

Die Diskussion

Bernd Loh und Thorsten Rensing haben aktuelle Entwicklungen zum Anlass genommen, die Thematik eingehender zu diskutieren und tiefer in die Materie einzutauchen. Herausgekommen sind dabei Erkenntnisse, die wir euch nicht vorenthalten möchten und in einer Blog-Reihe präsentieren wollen. Wechselseitig werden Gastbeiträge hin- und hergeschrieben, die jeweils ein Kernthema beinhalten. Es geht dabei nicht darum, Angst zu schüren, sondern darum, die Lage möglichst ausgewogen darzustellen. Wir freuen uns, wenn ihr eifrig mit diskutiert.

Fakt. Die Zahl der Mitarbeiter ist auf einen Wert von 2008 gesunken.

„Rund 750 000 Leiharbeiter gibt es (…) in Deutschland, Für viele Arbeitslose ist Leiharbeit das Sprungbrett zurück in den Job. Gewerkschaften allerdings kritisieren eine Zwei-Klassen-Mentalität, vor allem bei der Bezahlung.“ Eine Schlagzeile des Domradios - aus dem Jahr 2008. Nur zwei Jahre nach der AÜG Novelle, ist die Branche auf einen Wert von vor 11 Jahren zurück geworfen worden. Ist das alles „Schuld“ des Gesetzes, dessen versprochene Evaluation wohl bis 2022 auf sich Warten lassen wird? Gibt es andere Entwicklungen, die relevant sind? Wie verhalten sie sich zueinander? Wir haben zentrale Punkte ausgemacht und möchten diese hier beleuchten. Das Gesetz lassen wir dabei außen vor - über vergossene Milch soll man nicht meckern.

Flüchtlingsintegration ist kein Geschäftsmodell, sondern häufig Notwehr.

Schaut man sich die Daten nüchtern an, formuliert die BA folgendes. „Geflüchtete verlassen ihr Heimatland häufig ohne Berufsausbildung bzw. ohne nachweisende Ausbildungszertifikate.“ und „Sie kommen häufig für Jobs in Frage, in denen Sprachkenntnisse nicht die wichtigste Rolle (…) spielen. So waren im Dezember [2018] 22.000 der arbeitslosen Geflüchteten auf der Suche nach einer Arbeitsstelle in der Reinigung,(…) in der Logistik, (…) als Küchenhelfer und (…) suchten eine Beschäftigung im Verkauf.“[1]. Gleichzeitig titelt der Deutschlandfunk „Die Zahl der Leiharbeiter steigt, vor allem durch Flüchtlinge: (…)“ [2].

Während Verbände und Politik nicht müde werden, die Integrationsleistung - zurecht - hervorzuheben, stellt sich die Frage, was das für die Zeitarbeitsunternehmen bedeutet, die am Markt dort integrativ unterwegs sind.

Nun, zuerst: sie können zu einem großen Teil nur im Helfersegment tätig sein, ohne eine reale Chance zu haben, mit ihrem Mitarbeitern substantiell in der Weiterbildung neue Marktsegmente zu erobern. Gleichzeitig geben sie, so Marc Striewe, Geschäftsführer der nach ihm benannten Zeitarbeitsfirma in demselben Artikel: „(…) eine Hilfestellung (…) Wir geben (…) ja nicht nur Arbeit, sondern kümmern uns ja dann noch darum, das die hier ein Konto aufmachen, dass sie eine Krankenversicherung haben und so weiter.“.

Sie müssen also mit relativ geringer Marge eine große Integrationsleistung vollbringen, ohne dafür viel liquide Mittel einsetzen zu können. Nach der gelungenen Integration, so hofft man „auch eine anspruchsvollere Beschäftigung finden zu können“, so wieder Herr Striewe. Diese ist dann an den - jetzt integrierten - Arbeitnehmer gebunden. Ob dieser im Unternehmen verbleibt, ist allerdings alle andere als sicher. Es bleiben zwei Optionen in diesem „Prinzip Hoffnung“.

Entweder der Arbeitnehmer bleibt zu vergleichbaren Konditionen seiner Kollegen - dann ist die Marge weiterhin gering, auch im Facharbeiterbereich, oder er wechselt einfach den Arbeitgeber. So oder so, ist das kein Geschäftsmodell, sondern eher das Anerkennen von Marktgesetzen. - Diese Gruppe der Flüchtlinge ist für die Zeitarbeit als Arbeitnehmer am einfachsten zu erreichen, da sie nicht mit den Arbeitgebern, die nicht in der Zeitarbeit tätig sind, konkurrieren muss. Betriebswirtschaftliche Folgen der Integration sind häufig hohe Kosten, hoher Aufwand bei geringer Marge. Hinzu kommt die fehlende Möglichkeit, strategisch neue Märkte zu erobern und selbst bei gelungener Integration die Gratwanderung zwischen dem Spatz in der Hand - oder der Taube auf dem Dach.

VUKA - Das Ende der Kontrolle oder den letzten beißen die Hunde.

Volatiltät, Ungewissheit, Komplexizität, Ambigbuität -das alle ist die neue (Arbeits-)Welt. Alles wird schneller, digitaler und vor allem ungewisser. Na und, werden sie jetzt sagen, „das gilt doch für alle.“

Stimmt, aber die Motive unserer Kunden sind lt. destatis eindeutig. Abfangen von Auftragsspitzen, schnelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Ersatz kranker Mitarbeiter und einfachere Personalbeschaffung als über den Arbeitsmarkt. Das heißt betriebswirtschaftlich nichts anderes, als daß Kunden genau diese Probleme auf die Zeitarbeitsunternehmen verlagern, und diese sich dieses Risiko bezahlen lassen. Ungünstig ist nur, dass ein weiteres Motiv unserer Kunde „Kosten sparen“ lautet.

Wir lassen uns also das Risiko in der Regel eher schlecht bezahlen und haben wenig bis keinerlei Einfluss auf die Problemlösung. Denn weder haben wir Einfluss auf die Wirtschaftslage, noch auf die Krankheit beim Kunden und Arbeitsverhältnisse können wir nicht schnell beenden.Kurz: unser Geschäftsmodell basiert häufig auf Risikoverlagerung auf die Zeitarbeitsunternehmen und damit wieder auf dem Prinzip Hoffnung. An dieser Stelle muss aber nun doch angemerkt werden, dass langjährige cash-cows nun als Basis der Risikovermeidung entfallen, weil diese nun übernommen werden müssen (AÜG-Novelle), ganz am Gesetz kommen wir also doch nicht ganz vorbei. Zunehmende Komplexität bei abnehmender finanzieller Sicherheit. Unschön.

Frühindikator Zeitarbeit: Segen oder Fluch?

„Die Industriekonjunktur entwickelt sich weiterhin schleppend; der Gegenwind von der Auslandsnachfrage bleibt spürbar. Die aktuelle Datenlage lässt auch eine ruhigere Gangart im Dienstleistungsbereich erwarten. (…)“ So das BMWi in Juli 2019. Spürbare Einbussen im Baugewerbe sind zu verzeichnen, im verarbeitenden Gewerbe sind die Auftragseingänge kräftig gesunken.Die Zeichen stehen auf Rezession.

Ohne Kurzarbeitergeld für Zeitarbeitsunternehmen. Im Automotive-Bereich spielen sich zudem dramatische Veränderungen ab. Nach dem Dieselskandal setzen ein Großteil der Produzenten auf Elektromobilität und damit auf deutlich weniger Bauteile, die von Zulieferern produziert werden müssen („Ein Achtzylindermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromotor nur 17 Teile.“ (Schoch, Manfred, Gesamtbetriebsratsvorsitzender BMW schon 2016). 41% oder 410.000 Kollegen von uns arbeiten aber lt. destatis in der Produktion. Die Folgen sind doch klar. Als Frühindikator wird die Zeitarbeit generell als erstes von einer Rezession getroffen - in allen Bereichen.

Die Industrie und im besonderen der Automotive-Bereich wird diese Situation noch einmal dramatisch verschärfen. Einsätze werden wegfallen oder aber nur durch Weiterqualifizierung zu erhalten sein. Ob man dann als Gewinner aus der Krise hervorgeht, ist unklar, denn keiner weiß, wie der Markt nach der Krise aussehen wird. Sicher ist nur - anders als jetzt.

„Sei da wo der Puck sein wird, nicht da wo der Puck war.“ (Wayne Grezky) - Konsequenzen

Wie schon gesagt, es geht nicht darum, Angst zu schüren, denn das Potential im Geschäftsmodell ist vorhanden. Man muss es nur finden. Damit möchten wir uns in den nächsten Beiträgen näher auseinander setzen. Vorweg sind aber einige Konsequenzen klar, die man beherzigen muss.
Agieren ist immer besser als reagieren.

Effizienzsteigerungen oder technische Neuerungen verlangsamen nur den Prozess, nicht da Ergebnis. Durch sparen ist noch niemand reich geworden.

Weiterentwicklung tut not - in der Führung, der Organisation und im Geschäftsmodell. Es gilt, die verborgenen Schätze im Unternehmen zu heben - auf allen Ebenen. Gerade übrigens in der Geschäftsführung.

Und zu guter Letzt. Es gilt, die Wirklichkeit anzuerkennen wie sie ist. Aussitzen ist dabei der sichere Weg in den Untergang.

Einen Arzt zu einem Toten zu rufen, macht dann keinen Sinn mehr.

 

[1] https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/Statistische-Sonderberichte/Generische-Publikationen/Fluchtmigration.pdf

[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/integration-und-arbeitsmarkt-immer-mehr-fluechtlinge-in.976.de.html?dram:article_id=430099

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